Leiden, Gewalttaten, Seuchen, Flucht, Hunger und Verrohung der Menschen – bis hin zu Kannibalismus
Erste gemeinsame Veranstaltung der drei Neulinger Heimatvereine über den Dreißigjährigen Krieg
Ein voller Erfolg wurde am Freitagabend, 14. März, der hoch interessante Vortrag „Der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) im Großraum Pforzheim und der Neulinger Platte als europäische Katastrophe und deutsches Trauma“, den über 80 Besucher aus Neulingen und Umgebung im vollbesetzten Clubhaus des 1. FC Bauschlott verfolgten.

Sie machten dabei die Erfahrung, dass die „gute alte Zeit“ keinesfalls nur gut war. Über dieses umfassende Thema könnte man stundenlang zuhören. Eine erstmalige Veranstaltung und die Idee dies mit allen drei Neulinger Heimatvereinen zu machen, wurde von Kreisrat Heinrich Furrer und stellvertretender Vorsitzender des Heimatvereines Bauschlott initiiert. „Das große Interesse gibt Motivation, in diese Richtung weiterzumachen“, freute sich Furrer.
Vorsitzender Martin Kull und Furrer, freuten sich, hierzu den renommierten Referenten Konstantin Huber, Leiter des Kreisarchivs Enzkreis, begrüßen zu können. Sie stellten auch den Vorsitzenden des Heimatvereins Göbrichen, Bürgermeister Michael Schmidt, und Elvira Knothe, Vorsitzende des Nußbaumer Heimatvereins vor.
Die damaligen Ereignisse im Großraum Pforzheim wurden vom Kreisarchiv in einem breit angelegten Forschungsprojekt erstmalig aufgearbeitet. Huber zitierte unter anderem aus Kirchenbüchern und Originalquellen für Neulingen, Sprantal, Bretten, Eisingen und Stein.

Im Mittelpunkt stand das Leiden der einfachen Bevölkerung zwischen Gewalttaten, Vergewaltigungen, Seuchen, Flucht in die Städte, Plünderungen, Hunger und Verrohung der Menschen – bis hin zu Kannibalismus. Der Kreisarchivar hat dies mit eingeblendeten historischen Dokumenten, Bildern, Karten und Zeichnungen sehr anschaulich dargestellt. Durch Krieg mit Zerstörung, Pest und anderen Seuchen, waren manche Orte zeitweise ganz entvölkert, bis dann wieder Frieden einkehrte und von außen neue zuzogen oder die ehemaligen wieder zurückkamen. Während es in Nußbaum 1634 noch 45 Bürger gab, waren es 1652 nur noch zwölf und 1655 wieder acht mehr. 1634 wurden 75 Gebäude gezählt und 1655 nur noch 44.
Huber erläuterte, dass Persönliches über Menschen in Kirchenbüchern lediglich mit dem Tauf-, Hochzeits- oder Sterbeeintrag verbunden ist. So ist im Kirchenbuch Eisingen von 1641 ein Taufeintrag für eine Familie aus Bauschlott erhalten. Ebenso aus Eisingen 1643 der Hochzeitseintrag für ein Paar aus Göbrichen. Im dortigen Kirchenbuch von 1642 findet sich der spektakuläre Vermerk für Barbara Staud, einem knapp neun Jahre alten arbeitsseligen Mädchen, das von Pforzheim aus verloren ging und vermutlich von Wölfen weggetragen wurde.
Der Kreisarchivar, der seit 32 Jahren in Bauschlott wohnt, berichtete auch detailliert über das Massaker und die Zerstörung von Ölbronn 1622. Dort war württembergisches Landesaufgebot zum Grenzschutz einquartiert, keine Söldner, sondern schlecht bewaffnete und kaum ausgebildete Bauern und Handwerker aus den Ämtern Vaihingen und Leonberg. Es kam zu einem Scharmützel, nachdem zuvor ein kroatischer Offizier getötet worden sein soll. Bei einem Angriff als Vergeltungsaktion sind über 100 Württemberger gefallen, die gegen Söldner keine Chance hatten. Danach wurde Ölbronn an vier Ecken angezündet. 150 bis 200 Zivilisten fielen dem Massaker zum Opfer und 100 Gebäude (rund die Hälfte) wurden zerstört.
„So leise war es im Clubhaus noch nie“, bemerkte Furrer zum Schluss, der sich mit Kull für den Vortrag bedankte und ein Präsent überreichte.
Mit nur dem einen Wort „prima“ brachte es eine begeisterte Besucherin auf den Nenner und das bei kostenfreiem Eintritt. Bei alledem gab es aus der Küche des 1. FC B ein von Spitzenkoch und Vorstandsmitglied Olaf Berauer und seinem Team zubereitetes leckereres Essen.
Huber hatte zum Thema auch sein von ihm verfasstes Buch „„VERDERBT, VERHÖRGT- VERBRENDT“ dabei, das er auf Wunsch signierte. pd
Weitere Infos unter: www.enzkreis-geschichte.de

Heinrich Furrer (von links), Martin Kull, Bürgermeister Michael Schmidt, Elvira Knothe und Kreisarchivar Konstantin Huber mit seinem von ihm verfassten Buch „VERDERBT, VERHÖRGT- VERBRENDT“. Fotos: Dietrich (1) Furrer (2)